Lötschbergtunnel-Nachrichten
Quelle: Wikipedia
Jahrhundertbauwerk
Lötschbergtunnel eröffnet 15.06.2007, 14:30 Uhr
Wieder einmal haben die Schweizer ein Bauwerk fertig gestellt, von dem zunächst die Mehrheit im Lande nicht richtig geglaubt hat, dass es jemals Wirklichkeit wird. Zumindest einige Jahre lang wird der am Freitag eröffnete, fast 35 Kilometer lange Lötschbergtunnel der längste Tunnel Europas und der drittlängste der Welt sein.
Foto:dpa
HB FRUTIGEN. Im Jahr 2016 werden wieder die Alphörner geblasen und die Schweizer Willenskraft gepriesen, wenn der Gotthard-Basistunnel mit 57 Kilometern Länge den Betrieb aufnimmt – dann der längste Tunnel der Welt. Und dies alles, weil Europa den Schweizern einst 40 Tonnen schwere Lastwagen durch ihr schönes Land schicken wollte. Um dies zu vermeiden, ließen sich die Eidgenossen einiges einfallen.
Fünf Volksabstimmungen gab es, die letztlich zum Bau des Lötschbergtunnels für den Eisenbahnverkehr führten. Die wichtigste war 1994, als die Schweizer ihre Regierung und ihr Parlament überstimmten und den Alpenschutzartikel annahmen. Dieser soll verhindern, dass die Autobahnen für den Alpentransitverkehr weiter ausgebaut und für 40-Tonnen-Lastwagen zugelassen werden.
Vielmehr verlangten die Schweizer, den Lastwagenverkehr so weit wie möglich auf die Schiene zu verlagern. „Ich bin stolz darauf, dass das Schweizer Volk so entschieden hat“, sagte der Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger. Er war es unter anderem, der das Projekt voranzutreiben hatte und nun mit weißem Schutzhelm auf dem Kopf überglücklich Vollzug melden konnte.
Ein Vollzug, der in der Schweiz physisch zu spüren ist. Fuhren im Jahr 2000 noch etwa 1,5 Millionen Lkw im Nord-Süd-Verkehr durch die Schweiz, sind es derzeit weniger als 1,2 Millionen. Nur noch 650 000 sollen es sein, wenn der Gotthardtunnel fertig ist. Die Schweiz hat zur Finanzierung der Baustellen und zur Abschreckung eine Lkw-Maut eingeführt, die ihresgleichen in Europa sucht. Immerhin zahlt ein Lastwagen bei der Durchfahrt für rund 300 Kilometer 183 Euro – in Deutschland sind es nur 36 Euro. „Wenn Europa uns folgte, dann sähe es bei der Verlagerung von der Straße auf der Schiene deutlich besser aus“, meint Leuenberger dazu. „Man hat unsere Vorstellungen als illusionäre Fantastereien abgetan. Jetzt haben wir gehandelt und Europa sieht, zu was Schweizer fähig sind.“
Die Geschichte der Alpentunnel in der Schweiz begann bereits 1708, also etwa 100 Jahre vor dem Start der Eisenbahn. Mit 64 Metern war das „Urnerloch“ bei Andermatt der erste Tunnel auf einer Alpenstraße für Güter- und Personenverkehr. 1882 eröffnete der Gotthard-Eisenbahntunnel – damals mit 15 Kilometern der längste Tunnel der Welt. 1907 folgt der Simplon-Basistunnel mit 19 Kilometern Länge. Und 1980 wurde der Gotthard-Straßentunnel eröffnet, dessen 17 Kilometer lange Röhre im Jahr Millionen von Autofahrern und 40 Millionen Tonnen Güter auf dem Weg in den Süden passieren.
Jetzt sind die Schweizer ihrem Ziel, die Alpen auf der Höhe von München – also auf etwa 600 Meter Höhe – zu durchqueren, wieder näher gekommen. Ein Güterzug soll von Rotterdam bis Brindisi in Italien ohne zweite Lokomotive fahren können. Mit den beiden neuen Tunneln können bis zu 1,5 Kilometer lange und 4 000 Tonnen schwere Güterzüge dies schaffen. Und es gibt einen angenehmen Nebeneffekt: Der Kanton Wallis hofft auf deutlich mehr Fremdenverkehr, ist er doch jetzt schneller etwa aus der Haupstadt Bern zu erreichen. Passagierzüge können den Lötschberg mit bis zu 250 Stundenkilometern passieren.
Lötschbergtunnel
Zug um Zug 12.12.2006, 21:15 Uhr
Der große Bahnhof der feierlichen Eröffnung ist für den nächsten Sommer geplant, und der volle Eisenbahnbetrieb wird erst zum Fahrplanwechsel im Dezember 2007 aufgenommen. Doch seit dieser Woche gibt es einen ersten Schienenweg durch die Alpen, der die engen Täler und schroffen Gebirge einfach ignoriert.
von Eberhard Krummheuer
BERN. Der Lötschberg-Basistunnel, der jetzt in eine gründliche Erprobung und in den Testbetrieb geht, ist trassiert wie eine Bahnstrecke im flachen Land. Für eine der wichtigsten Achsen im europäischen Wirtschaftskorridor von den Nordseehäfen bis nach Norditalien bedeutet das: Die transport- und verkehrshemmende Barriere der Alpen wird ein erhebliches Stück kleiner.
Wenig Steigungen, keine engen Kurven, um Stunden kürzere Transportzeiten von den Containerhäfen im Norden über die Rheinschiene bis in die boomende Lombardei: das wird den transeuropäischen Güterverkehr auf Schienen spürbar produktiver und attraktiver machen. Wo heute noch auf Bergstrecken gleich zwei Loks an der Spitze benötigt werden oder zusätzliche Schubkraft am Ende des Zuges erforderlich ist, geht es künftig glatt und ganz tief unten durch die Berge – so, als wären sie gar nicht da.
Mit den neuen Güterzuglok-Generationen, die in verschiedenen nationalen Netzen fahren können, entfallen zeitaufwendige Lokwechsel: Der Transport kann durchgehen – von Rotterdam bis Rom.
Rund 20 Milliarden Euro lassen sich die Schweizer die flachen Schienenwege durch die Alpen kosten. Die „Neue Eisenbahn-Alpentransversale“ (Neat) ist das ehrgeizige Vorhaben, den Alpen-Hauptkamm gleich zweimal mit Flachbahnen in Basistunneln zu durchqueren – nicht nur am Lötschberg, sondern auch am Gotthard. Dort wird der Tunnelbau aber noch zehn Jahre benötigen. Das Ziel, den Schienengüterverkehr attraktiver zu machen und zugleich die Flut der LKWs einzudämmen, hat in der Eidgenossenschaft Verfassungsrang. Nach mehreren Volksabstimmungen gibt es das Ziel, die Brummi-Touren über die Alpen-Autobahnen bis 2009 zu halbieren. Die Verlagerungspolitik ist getrieben vom wachsenden Umweltbewusstsein der Bevölkerung. Sie will verhindern, dass das ständig wachsende europäische Güterverkehrsaufkommen die Alpen zerstört. Fachleute sind allerdings skeptisch, dass die Reduzierung des Straßenverkehrs gelingt.
Arnold Berndt, Güterverkehrschef der Aufsichtsbehörde Bundesamt für Verkehr, warnt vor übertriebenem Optimismus: „Der Lötschberg ist nicht der Gotthard. Solange dieser nicht fertig ist, ist der Produktivitätseffekt begrenzt.“ Während die Gotthard-Röhre mit 57 Kilometern der längste Tunnel der Welt wird, bauten die Schweizer beim knapp 35 Kilometer langen Lötschberg-Basistunnel eher bescheidener. Das Bauwerk ist aus Kostengründen in Teilabschnitten nur eingleisig ausgebaut, und – so räumt Berndt ein – „ab gewissen Gewichtsklassen braucht man immer noch zwei Loks“.
Immerhin: Täglich ermöglicht der Tunnel 110 zusätzliche Zugverbindungen. Doch wegen der eingleisigen Strecke und wegen vieler Personenzüge, die etwa auf der Strecke Basel - Mailand eine Stunde Zeit gewinnen, „stehen für den Cargoverkehr nicht genügend Trassen zur Verfügung“, klagt Raimund Stüer, Chef der deutschen Güterbahn TX Logistik. Prinzipiell erhofft er sich vom neuen Tunnel gleichwohl neue, attraktive Bahnangebote. Klaus Kremper, Vorstandschef der Deutsche-Bahn-Güterverkehrstochter Railion will das Geschäft auf der neuen Route weithin in den Händen seiner Beteiligung, der Cargo-Tochter Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS), belassen. Die nach den Schweizer Bundesbahnen zweitgrößte Bahn im Lande sei ein„zuverlässiger und leistungsstarker Partner. Die Zusammenarbeit werden wir intensivieren.“
Hochgeschwindigkeitsstrecke durch den Lötschberg steht vor der Fertigstellung
Neuer Tunnel durch die Schweizer Alpen 29.04.2005, 08:15 Uhr
500 Kilogramm Sprengstoff räumten am Donnerstag den Weg frei, um den Lötschbergtunnel durchzustechen. Die 34,6 Kilometer lange Unterquerung des Bergsmassivs in der Westschweiz ist das zweitgrößte Bauwerk der Neuen Eisenbahn Alpentransversalen (Neat). Der neue Bahntunnel am Lötschberg soll 2007 in Betrieb gehen.
oli KANDERSTEG. Die Explosion, die am Donnerstag um genau 10.52 Uhr den kleinen Ort Kandersteg im abgelegenen Schweizer Kanton Wallis erschütterte, hätte eigentlich lauter sein müssen, wenn sie dem Ereignis angemessen gewesen wäre: 500 Kilogramm Sprengstoff räumten den Weg frei, um den Lötschbergtunnel durchzustechen. Die 34,6 Kilometer lange Unterquerung des Bergsmassivs in der Westschweiz ist das zweitgrößte Bauwerk der Neuen Eisenbahn Alpentransversalen (Neat). Gemeinsam mit dem voraussichtlich erst in zehn Jahren fertiggestellten Basistunnel am Gotthard ermöglichen die neuen Verbindungen den Anschluss der Schweiz an die internationalen Hochgeschwindigkeitsnetze der Bahn.
Der neue Bahntunnel am Lötschberg soll 2007 in Betrieb gehen.
Nach jüngsten Schätzungen kostet das Bauwerk 2,8 Mrd. Euro und damit etwa 700 Mill. mehr als geplant. Die Gesamtkosten der Neat liegen nach derzeitigem Stand bei knapp elf Mrd. Euro. Weil die Schweiz kein Mitglied der EU ist, bezahlt sie den Bau allein, braucht sich allerdings im Gegensatz etwa zu Österreich auch um keine EU-Vorgaben bei der Finanzierung zu kümmern. Die Eidgenossen haben deswegen die Maut für Lastwagen in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt erhöht. Die Einnahmen aus derSchwerverkehrsabgabe decken den größten Teil der Tunnelbaukosten.
Die Planungsarbeiten für den Lötschbergtunnel hatten Ende der achtziger Jahre begonnen. Erster Spatenstich war vor elf Jahren. Seither haben die 2 500 Tunnelbauer von fünf Baustellen aus mit Sprengstoff und einer riesigen Tunnelbohrmaschine rund 90 Kilometer Fels ausgebrochen. Die Tunnelbauer arbeiten unter schwierigen Bedingungen. Im Berg ist es heiss, die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Um überhaupt arbeiten zu können, wird die Luft auf 28 Grad heruntergekühlt. Seit Baubeginn verloren fünf Menschen am Lötschberg ihr Leben.
Zwar ist der Grossteil des Tunnels mit einer zweiten Röhre versehen, doch wird diese aus Kostengründen lediglich zu einem Drittel für die Bahn auf zwei Spuren ausgebaut – was die Nutzung zum Missvergnügen der Schweizer Bundesbahn SBB einschränkt. Dennoch sollen mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2007 jede Stunde Intercity-Schnellzüge in beide Richtungen durchfahren. Dazu kommen alle zwei Stunden sechs Eurocity-Zugpaare von Basel nach Mailand und in die Gegenrichtung. Zusätzlich rechnet die SBB auf der Linie mit 110 Güterzügen pro Tag, von denen viele aus Deutschland stammen werden. Ein Drittel von ihnen wird aber wegen Kapazitätsengpässen im Tunnel weiter die Passtrecke benutzen müssen. Reisezüge sollen den Tunnel mit maximal 250 Stundenkilometerndurchqueren können.
Die Wirtschaft im Rhone-Kanton Walis verspricht sich von der beinahe doppelt so schnellen Verbindung einen kräftigen Wachstumsschub. Die Handelskammer erhofft sich für ihren bisher stark abgeschotteten Heimmarkt mehr Dynamik. Der Basistunnel bringe die lange ersehnte wirtschaftliche Öffnung, heißt es. Unter der Führung der Wirtschaft hat sich eine Interessengemeinschaft die Aufgabe gestellt, die Behörden, das Gewerbe, den Handel und sogar die Kultur auf die Zeit nach der Eröffnung des Basistunnels einzustimmen.
Berichte in der
Durchstich am Gotthard-Basistunnel
Grüezi Gotthard! 15.10.2010, 16:20 Uhr
Von T. Kirchner
Die Schweizer feiern ihren Gotthard-Basistunnel und fühlen sich doch von Europa verraten: Kein EU-Minister kommt zur Feier, und weil Italien seine Zusagen nicht hält, ist der verkehrstechnische Nutzen gering – ganz im Gegensatz zu den Kosten.
Gruppenbild mit Bohrer: Schweizer Ingeneure und Techniker vor ihrer Bergbau-Maschine namens "Gaby". Freitagmittag soll es soweit sein - dann kommt der Durchbruch. (© REUTERS)
Wenn die Schweizer an diesem Freitag das Ereignis des Jahres zelebrieren, das für die Infrastruktur des ganzen Kontinents von Bedeutung ist, bleiben sie unter sich. Die Verkehrsminister der EU-Länder haben es nicht vermocht, ihr Treffen in Luxemburg zu verschieben. Sie werden zwar live zugeschaltet, wenn die Bohrmaschine die letzten Brocken in der Oströhre des Gotthard-Basistunnels wegfrisst, und EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat das "bemerkenswerte Projekt" auch fleißig gelobt. Trotzdem sind die Schweizer ein bisschen beleidigt über die europäische Ignoranz. "Ein absoluter Skandal", schimpft der Parlamentarier Ulrich Giezendanner, "wir bauen für Europa, und keiner kommt hin."
So freuen sie sich eben alleine über den Durchstich in dem mit 57 Kilometern längsten Tunnel der Welt. 200 Honoratioren, Tunnelbauer, Journalisten und Politiker, mit dem scheidenden Verkehrsminister Moritz Leuenberger an der Spitze, sausen mit dem Aufzug von Sedrun aus knapp 800 Meter in die Tiefe, um mit der Grubenbahn in Richtung Faido bis zur Ortsbrust vorzustoßen, dem noch zu durchbohrenden Stück, das dann vor ihren Augen zerbröseln wird.
Begleitet wird der historische Moment von einer Licht- und Klanginszenierung des Regisseurs Volker Hesse. Das Schweizer Fernsehen berichtet sieben Stunden am Stück, es hat den Berg schon längst durchpiekst - für die Leitungskabel. Alle werden es schön warm haben. An der Feierstelle, über der sich 2000 Meter Fels türmen, herrschen 28 Grad, und das ist schon gekühlt, eigentlich wären es 45.
Wie weit wird die Abweichung sein? 14 Millimeter?
Eine Weile mussten die Ingenieure bangen, ob sie zum geplanten Datum überhaupt fertig würden. Sie werden es. So wie sie alle anderen technischen Herausforderungen dieses Mammut-Projekts gemeistert haben, das durch härtestes Gestein und diverse Störzonen führt: all die Stellen, wo sich der Bohrer plötzlich im weichen Gestein festfraß, wo Wasserfontänen aus dem Berg schossen, wo die ausgebohrte Röhre unter dem Druck des Gebirges wieder zusammenstürzte. Am schlimmsten, dachten alle, werde es im breiigen Dolomit der Piora-Mulde, die meisten Probleme bereitete aber die Nothaltestelle Faido, die sogar verschoben werden musste.
Spannend ist für die Fachleute jetzt nur noch, mit welcher Abweichung die Tunnelbohrmaschine durch den Fels bricht. Wieder nur ein Fingerbreit, 14 Millimeter, wie beim Durchschlag zwischen den Teilabschnitten Erstfeld und Amsteg vor einem Jahr? Erlaubt wären 25 Zentimeter seitlich, 12,5 in der Höhe, sonst müssten die Vermesser büßen.
1880, beim Durchstich im ersten Gotthard-Eisenbahntunnel, betrug die Abweichung lediglich 33 Zentimeter, und das gelang ohne Satellitentechnik. Der neue Rekordtunnel ist ein Meisterstück Schweizer Ingenieurskunst, zweifellos. Und doch scheint es, als solle der Jubel auch ein wenig die Klagen über die völlig aus dem Ruder gelaufenen Kosten des Projekts übertönen.