Geschichtliches zum Lötschental von 1900-1999

1903 wurde das heutige Hotel Lötschberg in Kippel (dem damaligen Hauptort des Tales) als standesgemäße Unterkunft für die Bauleitung des Lötschbergtunnels erbaut.

1906 kam der Kirchenmaler Albert Nyfeler mit dem Auftrag ins Lötschental, die Kippeler Kirche auszumalen. Er blieb im Tal, photographierte, zeichnete und malte das Leben der Einwohner und sammelte Gegenstände, die den Grundstock für das 1982 eröffnete Lötschentaler Museum legten. Vor allem seine Fotografien machten das Lötschental zu dieser Zeit bekannt.

1906-1913 Bau des Lötschbergtunnels. Goppenstein, bisher ein kleiner Ort, wuchs innerhalb kürzester Zeit zum zweitgrößten des ganzen Konton Wallis und hatte bis zu 3.500 Einwohnern. Auch Gampel wuchs während der Bauzeit der BLS Linie auf über 2000 Einwohner.

1908 wird im hinteren Teil des Tales das Hotel Fafleralp erbaut. Das Eis zum kühlen der leichtverderblichen Lebensmittel wurde damals von den nächstgelegenen Gletschern geholt.

1922 baut sich der Kunstmaler und Fotograf Albert Nyfeler in Kippel ein Haus. Er wird zum wichtigen Chronist des Lötschentaler Lebens in der bildenden Kunst.

1923 wird auf der Faldumalp an der Stelle, an der bis dahin nur ein Kreuz stand, die Kapelle errichtet. Innen ist zu lesen: „Zu Ehren der schmerzhafen Mutter, gebaut im Jahr 1923 durch die Geteilen der Faldumalpe“.

In den 30er Jahren können im Tal (dank der günstigen Verkehrsanbindung und dem Interesse am Alpinen) weitere Gasthäuser eröffnen, während anderenorts die touristische Krise herrscht.

1930 wurde das Hotel "Langgletscher" unterhalb der Fafleralp erbaut, jedoch zogen viele Gäste den gemütlichen Holzbau des Hotels Fafleralp dem Steinkoloss des Hotel Langgletscher vor. Beide Hotels gehörten damals zusammen. Mittag- und Abendessen wurde noch in den 50er Jahren für die Gäste beider Hotels ausschließlich im Hotel Fafleralp serviert.

1932 wurde der erste Schweizer Hochgebirgs-Tonfilms gedreht. Sein Original-Titel: "Die Herrgotts-Grenadiere" (siehe auch hier).

1939 wurde nach 12-jähriger Bauzeit die Straße Gampel–Goppenstein eröffnet.

1940 brachte die Anthrazitmine bei Ferden nicht nur eine neue und willkommene Verdienstmöglichkeit, sondern auch einen neuen Arbeits- und Zeit-Rhythmus ins Tal.

1940 wurde das erste Gipfelkreuz auf dem Bietschhorn errichtet. 28 Jahre lang hielt das Holzkreuz Wind und Wetter stand.

1948 wurde der Kohleabbau im Bergwerk bei Ferden endgültig eingestellt. Vor allem während der beiden Weltkriege war hier Kohle abgebaut worden.

Der nächste (touristische) Aufschwung kam in den 50ern mit dem Ausbau der Talstraße (1953 bis Wiler, 1954 bis Blatten). Aber nicht nur Touristen, auch neue Waren kommen über diese Straße ins Tal, auf der viele Einheimische dasselbe verlassen.

1950 gab es ein Pfadilager der 1948 gegründeten Pfadfinderabteilung St. Georg Bettlach (Kanton Solothur) auf der Faldumalp. Auf der Website der Pfadi Bettlach steht dazu zu lesen:
 
Weil Pfarrer Räber oftmals in den Sommerferien im Priesterhaus auf der Faldumalp weilte, ergab sich die Möglichkeit dort für eine Woche eine Hütte zu mieten. Gelernt aus den Erfahrungen vom Vorjahr hatte der Pfarrer, und organisierte kurzerhand einen Transport mit Maultieren.

Bereits am zweiten Tag verletzte sich einer der Buben derart schwer an Knie, dass Kiebitz* ihn per Huckepack ins Tal transportieren musste.
* (Beat Sperisen, der Leiter)
 
1951 wurde das Lötschental schwer von Lawinen heimgesucht und ein Teil des Weilers Eisten von einer Lawine verschüttet. Dabei kamen sechs Menschen ums Leben.
Dies ist eines der Ereignisse im Lötschental, die Carl Abächerli (1893-1986) aus Sarnen (Kanton Obwalden), Fotograf und leidenschaftlicher Filmer festgehalten hat. Als er von dem Unglück hörte, reiste er sofort ins Lötschental. Zurück in der Innerschweiz organisiert er eine Filmvorführung im Kongresshaus Luzern und sammelt hier Spenden für die Hinterbliebenen.
Zu sehen waren Teile seiner Filme über das Lötschental in einer vom Schweizer Fernsehen ausgestrahlten Sendung am 10.08.2008. Hier der Link zur Sendung.

1954 stand im 12-bändigen Lexikon "Der Große Herder" unter "Lötschental":
 
Lötschental, Schweizer Hochalpental auf der Südseite der Berner Alpen im Kt. Wallis, 26 km lang, 1950: 1400 E.; durch den 2692 m hohen Lötschberg(paß) verbunden mit dem Kandertal. Der Lötschbergtunnel (14,5 km lang, 1907/13 erbaut) vermittelt den Verkehr der Lötschbergbahn zw. Bern und Brig mit der Simplonbahn.
Lit.: H. und K. Anneler, Lötschen (1917).

(Im dazugehörigen Atlas sind die Orte Goppenstein und Blatten verzeichnet.)

 
1954 wird die Talstraße bis Blatten fortgeführt.

1956 wird, um den Wintertourismus im Tal zu fördern, der erste Skilift – als Schlepplift – von Kippel bis Haispil unterhalb der Hockenalp gebaut.

Seit 1957 fahren, dank dem Bau diverser Galerien, die Postautos zwischen Goppenstein und Blatten ganzjährig. Nur Lawinengefahr stoppt den Verkehr noch zeitweilig.

1960 wird der 1956 erbaute Schlepplift Kippel-Haispil durch einen 1er-Sessellift ersetzt und durch einen Schlepplift von Haispil bis unterhalb der Hockenalp erweitert. Nach dem Bau der Luftseilbahn Wiler-Lauchernalp 1972 wurden beide stillgelegt. Die Talstation in Kippel wurde am 4. Feruar 1980 vom Luftdruck der Golmbachlawine zerstört. Im Haispil sind noch die Reste der oberen Station mit dem Umlenkrad unter der Decke, und im Keller des ehemaligen Restaurants die Lift-Sessel zu sehen. >>Bilder<<

Direkt unterhalb des Chalets "Seeblick" unterhalb der Hockenalp befinden sich noch die oberen Fundamente des Schleppliftes.

Sessellift-Umlenkstation u. Restaurantplattform, LötschentalSessel des Sessellifts Kippel-Haispil, Lötschental

 
1961 wird in Steg die Alusuisse eröffnet. Etliche Lötschentaler finden dort Arbeit, einige "Auswanderer" kehren in ihr Tal zurück, um als Pendler im Rhonetal zu arbeiten.

1967 gab es den ersten Tschäggättä-Umzug. Grund war wohl, dass vor allem viele junge Männer als Pendler außerhalb des Lötschentals arbeiteten und so am ursprünglichen Treiben nicht mehr teilnehmen konnten. Dadurch verlor der Brauch seinen ursprünglichen 'Sinn' und wurde zu einer Masken-Präsentation.

1968 ersetzten die Lötschentaler Bergführer das Gipfelkreuz des Bietschhorns von 1940 durch ein neues Holzkreuz.

1972 führt die Talstraße bis zur Fafleralp.

Erst im Dezember 1972 wurde, mit der Eröffnung der Lauchernalp-Bahn, das Lötschental aus seinem touristischen Winterschlaf geweckt. Während vorher fast ausschliesslich Sommergäste kamen, hat sich das Tal seitdem einen Namen als Winterferiengebiet geschaffen.

1975 wurde die Talsperre bei Ferden fertiggestellt, die die Lonza staut. Die Bogenstaumauer von 67 m Höhe hat ein Stauvolumen von 1.890.000 Kubikmetern. Das Bauwerk selbst hat ein Volumen von 34.000 Kubikmetern; die Länge der Dammkrone beträgt 126 m. Der zentrale Block ist mit einem einem Schwimmlot, einem Freilot sowie insgesamt 18 Thermometern ausgerüstet.
Betrieben wird die Anlage von der KW Lötschen AG, Steg.
Der Stausee hat eine Fläche von 0,106 Quadratkilometern, sein Einzugsgebiet umfasst beinahe 140 Quadratkilometern!
Hier finden Sie einen Situationsplan, einen Längschnitt und einen Querschnitt.
In einem späteren Bericht kann man lesen:
"Das im Jahre 1975 in Betrieb gesetzte Kraftwerk Lötschen nützt die Gewässer der Lonza zwischen den Gemeinden Gampel und Steg. Von der auf Kote 1311.0 m ü.M liegenden Stauhaltung wird der Abfluss durch einen 6.85 km langen Druckstollen und einen 1.31 km langen Druckschacht geführt. Mit einem Bruttogefälle von 664 m und einer Ausbauwassermenge von 20 m3/s, werden im Kraftwerk Steg zwei vertikalachsige Peltonturbinen mit einer Gesamtlei tung von 110 MW gespeist. Die Jahresproduktion der Anlage beträgt im Mittel etwa 324 GWh wovon aber nur etwa 15% auf der Winterperiode entfallen."

1978 entgleiste am 2. Februar ein aus Mailand kommender Schnellzug der Lötschbergbahn infolge eines Lawinenniederganges im Jjolital, wobei die Zuglok 15 m tief abstürzte. Der Lockführer und ein Reisender wurden schwer verletzt, weitere Menschen kamen bei dem Unglück nicht zu Schaden.

1981 ordnete die Gemeinde Kippel an, dass das Maskenlaufen und Tschäggättun verboten sei, damit Ruhe und Ordnung herrschten – es half nichts!

1982 wird das Lötschentaler Museum mit der Ausstellung "Haus und Wohnen im Lötschental" eröffnet.

1987 erging am 17. Februar ein Verbot des Maskenlaufens nach 18:00 Uhr – beschlossen durch die vier Talgemeinden zur Sicherung der öffentlichen Ruhe und Ordnung.
Alles alte Männer, die es in ihrer Jugend selbst getrieben haben.

1990 erhält das Bietschhorn am 25. August sein drittes Gipfelkreuz. Insgesamt 40 kg wogen die beiden Holzbalken, die die Bergführer auf der Berg trugen.

1992 übertreffen die touristischen Übernachtungszahlen des Winters erstmals die des Sommers. Damit beginnt wohl endgültig der Wandel vom Wander- und Sommerparadies zum Wintersportgelände. Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf das Tal bleiben, konzentriert sich der Tourismus so doch zum großen Teil auf die Lauchernalp – wenige machen den großen Reibach, andere gehen baden.

1993 wurde, nachdem sich bereits Anfang der 90er Jahre der Bergführerverein Lötschen zum Bau einer Berghütte in den Anen, östlich der Fafleralp, entschieden hatte, mit dem Bau der Anenhütte begonnen, die 1995 eingeweiht werden konnte und 51 Personen Platz bot.
(siehe hierzu 3. März 2007)

Wegmarkierung Anenhütte

Im Mai 1997 wird in Blatten die "Stiftung Blatten" ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die traditionelle Wohn- und Siedlungskultur des Lötschentals zu erhalten und zu fördern.

Im Oktober 1997:

Die kirchliche Nachricht ( www.kath.ch):
Hans Bloetzer, emeritierter Pfarrer, Spiez
Als Opfer eines Bergunfalls am Mont Blanc starb am 30. September 1997 der emeritierte Pfarrer Hans Bloetzer, Spiez. Er wurde am 20. Dezember 1930 in Ferden geboren und am 17. Juni 1956 in Sitten zum Priester geweiht. Im Dienst des Bistums Basel wirkte er als Vikar an der Dreifaltigkeitskirche in Bern (1962-1968), als Pfarrer von Spiez (1968-1982) und als Pfarrer von Langnau i. E. (1982-1996). Den Ruhestand verbrachte er in Spiez (seit 1996).

Die weltliche Nachricht (Wochen-Zeitung – für das Emmental und Entlebuch, Ausgabe: 09. Oktober 1997)
Ganz Langnau kannte Hans Bloetzer als sympathischen und überaus sportlichen Pfarrer der katholischen Kirchgemeinde in Langnau. 14 Jahre betreute er seine Langnauer Gemeinde. Oft war er auf dem Rad zu seinen Terminen unterwegs. Nach seiner Pensionierung zog er vor einem Jahr nach Spiez.

Letzte Woche ist Hans Bloetzer bei einer Bergtour im Mont-Blanc-Massiv ums Leben gekommen. Beim Abstieg geriet der Pfarrer und ein befreundeter Bäckermeister aus Spiez ins Rutschen. Laut Augenzeugenberichten versuchte Bloetzer noch seinen Freund am Seil hochzuziehen. Doch kurz darauf stürzten beide rund 100 Meter in die Tiefe.

Sein Grab befindet sich in Ferden.

 
Im Winter 1998/99 gab es im Lötschental in Höhen ab 1500 m ü. M. extreme Schneefälle, welche in neun Tagen auf einer Höhe von 2700 m ü. M. zu einer kumulierten Neuschneemenge von 3.83 m führten und in deren Folge Anfang '99 etliche Lawinen zu Tal stürzten. Sie trennten das Tal für mehr als eine Woche von der Außenwelt und der Stromversorgung, zerstören einige Häuser, schlugen breite Schneisen in die Schutzwälder und hinterließen auch auf den Alpen ihre Spuren.

Am 23. Februar 1999 wurde die Staumauer bei Ferden von der Faldumlawine getroffen. Die geschätzte Schneemenge betrug 250-300.000 Kubikmeter. Das Ereignis, welches für die Verantwortlichen jegliches vorhersehbares Ausmass übertraf, zerstörte sämtliche Geländer, Zugangsstege und Messpfeiler im Bereich der Mauer. Die Bedienungsgalerie war ebenfalls beschädigt und die sich in der Galerie befindenden Anlagen und Messeinrichtungen waren ebenfalls teilweise zerstört. Die gesamte Messeinrichtung inklusive Wasserstandsmessung war nicht mehr betriebsfähig. Wegen der Schneemassen und der großen Schäden konnte erst zweieinhalb Monate nach diesem Ereigniss wieder zum Normalbetrieb übergegangen werden.
 
Faldumlawine / Staumauer Ferden Februar 1999 Faldumlawine / Staumauer Ferden Februar 1999 – Aufräumarbeiten
Abb. aus dem Bericht 5.24 102.2-R-123 Ferden WEL 1999 der Lombardi AG und KW Lötschen AG

 
Am 6. November 1999 wurde in Ferden von Loni Niederer-Nelken zum Andenken an Ihren Mann die Arnold-Niederer-Stiftung eingerichtet. Hauptbestandteil der Stiftung ist ein Lötschentaler Haus aus dem 16. Jahrhundert – das "Vogelhuis".
Arnold Niederer (1914-1998) war von 1964 bis 1980 Professor für Volkskunde an der Universität Zürich. 1933 als Neunzehnjähriger zum ersten Mal ins Lötschental gekommen, hatte er dort im Laufe der Zeit seine zweite Heimat gefunden, 1953 das "Vogelhuis" gekauft und dies mit seiner Frau bis 1997 jeweils im Sommer bewohnte.
Das jetzt in "Arnold-Niederer-Haus" umbenannte Haus wird seit dem Sommer 2001 als wissenschaftliche Arbeitsstätte an Volkskundlerinnen und Volkskundler, aber auch andere Kulturschaffende, die der Präsidentin oder einem Stiftungsratsmitglied persönlich bekannt sind, (für mindestens drei Wochen) vermietet.
Der Mietpreis wird bewusst niedrig gehalten, um auch Studierenden den Aufenthalt zu ermöglichen.


Zwei Tabellen helfen, die Entwicklung des Lötschentales im 20sten Jahrhundert zu verstehen.
Die erste zeigt, wie sich die Erwerbstätigkeit der Lötschentaler Bevölkerung von 1930 bis 1990 veränderte, die zweite befasst sich mit der Entwicklung der Tierhaltung in Blatten von 1911 bis 2003.


Das Bild oben links zeigt Hans Bloetzer (geboren 1936 in Ferden) in jungen Jahren.

08.09.2003 - Letzte Aktualisierung dieser Seite: 06.06.2015 - © edgar droste-orlowski

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